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09/2016 – Semantik als Waffe I : Temposünder – Steuersünder
Eigentlich hören sich beide obigen Begriffe ähnlich an: Der Bürger hat sich versündigt, indem er gegen bestehende Regeln und Gesetze verstoßen hat. Doch gibt es trotz der semantischen Ähnlichkeit gravierende Unterschiede bei den Vorgängen „Temposünder“ und „Steuersünder“:
Bei dem Tempovergehen ist die Regel einfach und gilt für alle Verkehrsteilnehmer: In der Stadt gelten 50 km/h, auf der Landstraße max. 100 km/h und auf der Autobahn die vorgegebene Geschwindigkeit. Diese Regeln gelten für alle Verkehrsteilnehmer – ohne Ausnahme.
Anders bei der Steuergesetzgebung: Typischerweise gibt es ein Gesetz, das „im Prinzip“ für alle gilt. Doch gilt bei der Steuergesetzgebung die „Ausnahme von der Ausnahme“ und die Reihe an Ausnahmen, an Sonderbestimmungen und –regeln ist so groß, daß man nur eine ungefähre Ahnung von dem jeweils geltenden Gesetz hat. Bei der Geschwindigkeit ist es einfach und eindeutig: Man darf 50km/h fahren und nicht 51 km/h oder 60 km/h – bei den Steuergesetzen gelten andere Regeln: Ganze Heerscharen von Steuerberatern beschäftigen sich mit den Gesetzen, um Ausnahmen und Schlupflöcher zu finden, die der Gesetzgeber bei der Definition des Steuersachverhaltes nicht bedacht hat.
Somit findet ein Wettbewerb der Systeme statt: Auf der einen Seite will der Staat jedes Steuerschlupfloch verhindern, indem er komplizierte Regeln erlässt – jedoch gerade die Komplexität erlaubt es immer wieder, Schlupflöcher zu finden, um die Steuerzahlung zu minimieren oder gar zu vermeiden. Denn auf der anderen Seite sitzen jede Menge kluge Köpfe der Wirtschaft, die dafür bezahlt werden, die Steuerlast legal dadurch zu verringern, daß Interpretationsfreiräume gesucht und gefunden werden.
War der Ansatz, die Steuerlast-Berechnung „auf einem Bierdeckel“ zu ermöglichen tatsächlich so verkehrt, daß er nicht umsetzbar ist?
September 2016